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Auf das richtige Konzept kommt es an

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Können wir uns ein Bedingungsloses Grundeinkommen leisten? Oder können wir es uns leisten, auf dessen Einführung zu verzichten?

Mit großer Mehrheit hatten die Schweizer im Vorjahr die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) abgelehnt. Dafür gab es zwei gute Gründe. Der eine liegt in dem Grenzsteuersatz von 100 Prozent für eigenes Einkommen bis zur Höhe des BGE begründet. Das wäre die Umsetzung des Auffüllprinzips (wie man es auch vom real existierenden Sozialsystem kennt) in Reinkultur. Eigene Bemühungen, sich selbst ein gewisses Einkommen zu erwirtschaften, lohnen sich damit nicht, wenn man nicht wesentlich darüber hinaus kommt. Der andere sind die 2800 Franken pro Person und Monat, die zwar im Initiativtext nicht angeführt waren, aber von dessen Urhebern genannt wurden. Wer soll das bezahlen?

Das Existenzminimum sollte allerdings schon gewährleistet sein. Eben so viel, wie einem Erwerbslosen ohnehin an Sozialleistungen zusteht. Und auch etwas mehr, wenn es sich der Unterstützungsbedürftige durch eigene Arbeit verdient. Kann es aber Geld fürs Nichtstun geben, ohne dass der Arbeitslose alle Kräfte mobilisiert, um die Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu schaffen? Eigentlich nicht, wird man meinen. Gern wird in diesem Zusammenhang auch der Apostel Paulus zitiert: “… so jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen.” (2. Thessalonicher, 3; 8 – 10). Dabei wird zumeist übersehen, dass er diesen strengen Maßstab zuallererst an sich selbst angelegt hatte. Wie weit lässt sich dies auf unsere heutigen, bis ins Detail penibel geregelten Verhältnisse übertragen? Auf unsere extrem arbeitsteilige und von ständiger Rationalisierung im Namen des Fortschritts geprägte Gesellschaft? Von einigen Bereichen mal abgesehen übersteigt das Angebot an Arbeitskräften deutlich die Nachfrage. Außer den 2,6 Millionen offiziell gemeldeter Arbeitsloser gibt es zahlreiche, die in der Statistik nicht mehr auftauchen, dazu viele prekär Beschäftigte oder andere, die aus guten Gründen an einem Wechsel ihres Arbeitsplatzes interessiert sind. Man sollte zudem nicht die große Zahl von Zufluchtsuchenden vergessen, die für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft ebenfalls einen Arbeitsplatz benötigen.

Zwar werden auch immer wieder neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch nicht in dem Maße, wie es nötig wäre, um eine echte Vollbeschäftigung zu erreichen. Viele kleine Jobreserven wie Aushilfstätigkeiten oder Saisonbeschaftigungen können den Menschen keine dauerhafte Perspektive bieten, wären jedoch andererseits bei einem gesicherten Grundeinkommen ein lukrativer Zuverdienst. Gleiches gilt auch für viele selbstständig Tätige, darunter zahlreihe Kulturschaffende. Es bedürfte keiner aufwendigen Sozialbürokratie mehr, um den Bedürftigen die ihnen zustehenden Hilfen zu berechnen, sie zu kontrollieren und zu sanktionieren.

Soll aber das BGE als genereller Zuschuss zum Erwerbseinkommen auch den Gut- und Spitzenverdienern zufließen? Warum eigentlich nicht? Man könnte den Grundfreibetrag durch einen allgemeinen Abzug von der Steuerschuld ersetzen. Und unter dieser Voraussetzung statt des ohnehin schon arg verhunzten linear-progressiven Tarifs einen allgemeinen Steuersatz – eine Flatrate – einführen. Sozusagen “Kirchhof plus”. Dieser Grundabzug käme den kleineren Einkommen besonders zu gute, so dass ihnen selbst bei einem höheren Steuersatz immer noch genug von diesem Vorteil verbliebe. Durch die allgemeine Einkommensentwicklung greift der Spitzensteuersatz bereits im mittleren Einkommensbereich. Besser- und Bestverdiener müssten also nicht zwangsläufig unmittelbar vom BGE profitieren, würden aber auch nicht unzumutbar dadurch belastet. Ein einfaches, von zahlreichen Sonderregelungen befreites Steuersystem wäre letztlich ein Gewinn für fast alle, außer natürlich den Nutznießern des gegenwärtigen Systems.

Auch das leidige Problem des Ehegattensplittings ließe sich so ganz elegant aus der Welt schaffen. Ob nun Klaus sehr viel mehr als Karin (oder umgekehrt) verdient, wäre egal. Und auch, wenn sich Klaus mehr für Kurt oder Karin für Kira interessieren würde. Die Gerechtigkeitsdebatte über Kindergeld, Kinderfreibetrag und Familiensplitting ließe sich so ebenfalls beenden. So hätte man zugleich eine allgemeine Arbeitslosenunterstützung wie auch eine Grundrente. Beides könnte man durch individuelle Vorsorge nach eigenem Gutdünken aufstocken. Zudem könnte damit auch eine Kopfpauschale für Kranken- und Pflegeversicherung finanziert werden.

Natürlich muss das alles sorgfältig durchgerechnet werden. Der Grundabzug sollte vorsichtshalber nicht zu hoch und der Steuersatz nicht zu niedrig angesetzt werden. Eine Nachjustierung dieser beiden Stellschrauben zugunsten des Bürgers ist immer noch möglich. Für eine gewisse Übergangszeit müssen auch die in die Renten- und Arbeitslosenversicherung gezahlten Beiträge angemessen berücksichtigt werden. Die Steuerfreiheit für Nacht- und Feiertagsarbeit von heut auf morgen ersatzlos zu streichen, würden die Betroffenen zu Recht als unzumutbare Härte betrachten. Für Pflege und Gesundheitswesen, aber auch für alle übrigen Bereiche, die mit dem Geld der Bürger finanziert werden, bedarf es größtmöglicher Effizienz. Auch wenn für Mensch, Infrastruktur und sonstige öffentliche Aufgaben weiterhin gelten soll: Wat mutt, dat mutt.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist keineswegs eine Negierung des Leistungsprinzips. Zum Einen aber hat sich unsere Gesellschaft als unfähig erwiesen, jedem ihrer Mitmenschen eine Chance zu bieten, aus einer Anstrengung seines Glückes Schmied zu sein. Zum Anderen gibt es aber auch nicht wenige, die für das, was sie vorgeben zu verdienen, keine adäquate Leistung erbringen. Es wäre eines der führenden Industrieländer einfach unwürdig, Menschen in seiner Mitte Not leiden zu lassen. Letztlich wäre der Zusammenhalt unserer Gesellschaft ernsthaft gefährdet. Das hatten wir schon mal.

Herbert Weiß
5.3.2017
http://www.nzz.ch/schweiz/abstimmungen/bedingungsloses-grundeinkommen-viel-beachtung-fuer-einen-nonvaleur-ld.86933?extcid=Newsletter_06062016_Top-News_am_Morgen#kommentare

 

Des neuen Kanzlers alte Kleider

von Herbert Weiß

An seinem Äußeren gibt es nichts zu kritteln. Korrekt gekleidet ist er ja, der Olaf Scholz, vom extrabreiten Scheitel bis zur Sohle. Ansonsten dominiert auch bei dem neuen Bundeskanzler das alte Denken, welches der Apparatschik stets vertreten hat. “Hartz – das ist Armut per Gesetz!” – brachten zu Schröders Zeiten die Protestierer ihre Kritik an der damaligen Reform auf den Punkt. Von solchen aufrührerischen Parolen hat er sich stets distanziert, auch wenn nach dem erdrutschartigen Abgleiten der SPD ein vorsichtiges Umdenken einsetzte.
Ein altes Thema sind die vom Club of Rome vor einem halben Jahrhundert aufgezeigten “Grenzen des Wachstums”, auf die eigentlich jeder halbwegs vernünftige Mensch von selbst kommen müsste. Doch in Ost und West vertraute man gleichermaßen auf die Maxime “Der Fortschritt wird’s schon richten”, anstatt die längst fällige Kurskorrektur hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften einzuleiten. Jetzt soll die Energiewende zur CO2-Reduktion holterdipolter umgesetzt werden. Sonst macht Klima-Gretel noch mehr Ärger. Der übrige Ressourcenverbrauch ist eher kein Thema.


Mit viel Elan wurde die europäische Einheitswährung auf den Weg gebracht. Warnungen, den Wackelkandidaten besser ihre Lira und ihre Drachme zu lassen, wurden ignoriert. Als die 2008 hereinbrechende Finanz- und Wirtschaftskrise Griechenland in die Pleite drängte, wurde lauthals die Solidarität mit diesem Land bekundet, eine wirkliche Konsolidierung jedoch verhindert und die Krisenlast den kleinen Leuten aufgebürdet. Der Euro geriet durch den massenhaften Aufkauf von Schrottanleihen und eine Ausuferung der allgemeinen Staatsverschuldung immer mehr ins Schlingern. Die damalige Krise ist längst nicht ausgestanden. Vielmehr wird sie uns bald wieder einholen und dann mit mehrfacher Wucht überrollen.


Das Schengener Abkommen sollte das Auffangen der Flüchtlingsströme aus Afrika und Vorderasien und die Entscheidung über den Verbleib der Menschen bereits an den EU-Außengrenzen ermöglichen. Es ist mittlerweise Makkulatur. Nein, ich habe nichts gegen Menschen von außerhalb. Denn sonst hätte ich kaum aus eigenem Entschluss im Herbst 1992 in unserem neueröffneten örtlichen Asylheim angeheuert. Da gab es Menschen, die man sich durchaus als Nachbarn hätte vorstellen können. Andere eher nicht. Aber selbst die Gutwilligen zu Abermillionen aufzunehmen, würde uns auf die Dauer überfordern.


Erinnert sei an die Flutkatastrophe im Juli vergangenen Jahres. Bereits am 11. gab es eine Warnung des Deutschen Wetterdienstes. Dennoch traf das Unheil am Abend des 14. viele Bürger unerwartet. Die Warnung war bei ihnen nicht angekommen. Weder über Radio, TV, Internet, Mobil- oder Festnetztelefon. Auch die meisten Sirenen – sofern noch vorhanden – schwiegen. Und noch immer wird in solchen gefährdeten Gebieten neu gebaut.


Muss man sich also über Vermutungen wundern, dass eine finstere Absicht dahinter stecken könnte? Dass alles deutschland-, europa- und weltweit vor die Wand gefahren wird, um dann eine Neue Weltordnung aufzubauen? Ähnlich, wie es China bereits vormacht, nur dass statt der roten Mandarine die schon heute wirtschaftlich Mächtigen das Sagen haben? Und die kleinen Leute haben sich dem zu fügen?


Man hätte auch dieser immer noch aktuellen Pandemie rechtzeitig begegnen können. Es gab Warnungen. So hatte der Virologe Alexander S. Kekulé bereits 2005 – dem Jahr von Angela Merkels Amtsantritt als Bundeskanzlerin auf solche und ähnliche Situationen hingewiesen:


“Noch eklatanter war die Desinformation bei menschlichen Fällen: Während aus den Nachbarländern Vietnam, Thailand und Kambodscha bisher mehr als hundert Erkrankungen an Vogelgrippe gemeldet wurden, schien das Virus in China die Menschen zu verschonen. Den Experten, die menschliche Infektionen mit Vogelgrippe in den unterentwickelten Regionen des Agrarstaates vermuteten, wurden eigene Untersuchungen verboten. Trotzdem hielt sich die WHO mit öffentlicher Kritik zurück, um um die mühsam aufgebauten Kontakte nicht zu gefährden.”
(“WAS WISSEN SCHAFFT”, Potsdamer Neueste Nachrichten vom 23. November 2005, in Zusammenarbeit mit dem Tagesspiegel)


In meinem Beitrag “Ein Weiterwursteln wie gehabt darf es nach Corona nicht mehr geben” forderte ich ein effektives Frühwarnsystem. Bereits im Dezember 2019 wurde in Frankreich eine unbekannte Viruserkrankung festgestellt. Noch früher – im September und Oktober gleichen Jahres – ließ sich dieser Virus in einigen italienischen Flüssen nachweisen. Aber noch im darauffolgenden März wankten Fiebernde auf deutschen Flughäfen mit heißer Stirn und glasigem Blick die Gangway herab, ohne dass man sie sogleich in Quarantäne steckte oder etwas genauer untersuchte. Ein Foto in der “ApothekenUmschau” vom 1. Juli 2019 zeigt eine Mitarbeiterin eines indonesischen Flughafens, die mit einem Scanner routinemäßig einen Reisenden auf eine erhöhte Temperatur untersucht. Armes Deutschland!


Stattdessen wurden und werden Menschen mit kleinlichen Schikanen traktiert, die auch ganze Berufsgruppen in ihrer Existenz bedrohen. Vielfach wartete man bei den Weihnachtsmärkten erst einmal ab, bis die Händler ihre Buden aufgebaut hatten, um diese kurz vor oder nach der Eröffnung wieder zu schließen. Vor einem Jahr wurde mit der Parole “Dann seid ihr frei!” für die anlaufende Impfkampagne geworben Doch mittlerweile reichen selbst der zweite und dritte Pieks sowie eine Genesung von dieser Krankheit nur noch für drei Monate. “Nachboostern” lautet das neue Schlagwort. Bis zum fünften und sechsten Stich ist es dann auch nicht mehr weit. Die großen Pharmakonzerne wollen schließlich leben! “Zu Risiken und Nebenwirkungen…” schweigen die Regierenden und die staatstragenden Blockparteien sowie viele andere, denen das selbstständige Denken nicht geheuer ist. Wird ein Infizierter vom Bus überfahren, ist er ein Coronaopfer. Wenn dagegen jemand kurz nach der Impfung stirbt oder schwer erkrankt, ist das purer Zufall.


Ohne seine Fliege sieht der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zwar aus wie ein vom Vorabend übriggebliebener Partygänger. Am übrigen Kabinett gibt es aber dem Äußeren nach nichts zu nörgeln. Vielmehr ist es das alte Denken, welches hier als neue Politik verkauft wird. Alte Sachen kann man immer noch zur Gartenarbeit und zum Herumwerkeln anziehen, bis sie ganz auseinanderfallen. Altes Denken sollte man dagegen in der Vergangenheit zurücklassen. Wer nur seine Machtgelüste im Sinn hat, um seine Mitmenschen zu bevormunden, anstatt mit ihnen den offenen Dialog zu wagen, so wie es dem Grundgedanken der Demokratie entspricht, taugt nicht für die Herausforderungen der Zukunft. Es ist höchste Zeit, dass auch das Wahlvolk dies rafft und die Machenschaften der mächtigen Scharlatane, die die Politik am goldenen Gängelband halten, erkennt. Jeder, der wie der kleine Junge aus Hans-Christian Andersens Märchen offen die Wahrheit ausspricht, kann dazu beitragen.

Ein Weiterwursteln wie gehabt darf es nach Corona nicht mehr geben

Der Tod kam mit dem Düsenjet

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts schien alles machbar zu sein. Eine stabile Energieversorgung zum Schnäppchenpreis, die schnelle Bewältigung von Entfernungen, der weltweite Sieg über Hunger und Armut und eben auch über Krankheit in allen Formen. Alles Friede, Freude, Eierkuchen.

Doch die Träume von einer fortschrittlichen und besseren Welt zerplatzten wie Seifenblasen. Der billige Strom aus der Steckdose bewirkte eine beträchtliche Luftverschmutzung, Die wurde zwar abgestellt, es blieb jedoch die Zerstörung von Landschaften zur Gewinnung von Braunkohle und Uran. Und die Angst, dass auch bei uns mal ein Reaktor oder ein Atommülllager außer Kontrolle geraten könnte. Mit dem Reisen in alle möglichen Länder klappt es zwar noch ganz gut, doch gerade der Alltag ist oft von verstopften Straßen und fehlenden Parkmöglichkeiten geprägt. “Nach langer (oder auch kurzer) schwerer Krankheit…”, “gekämpft, gehofft und doch verloren” – all diese Floskeln finden sich in zahlreichen Traueranzeigen. Wo es doch eigentlich stets heißen müsste “Nach einem langen, erfüllten Leben…” oder so ähnlich. Aber auch chronische Leiden beeinträchtigen die Lebensqualität in einem erheblichen Maße. Von Frieden können schließlich viele nur träumen. Nur mal eben ein paar Beispiele.

Der Fortschritt ist zwar noch nicht ganz tot, aber er liegt auf der Intensivstation. Wie könnte es sonst sein, dass so ein lumpiger Virus die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt? Noch vor 100 Jahren hatte die Information über einen Krankheitserreger (Bakterium oder Virus ist dabei eher unwichtig). Funk und Tiefseekabel machten es möglich, einen Vorsprung von einigen Wochen. Doch das Aufkommen des internationalen Flugverkehrs ließ diesen Vorsprung auf wenige Stunden schrumpfen. Aber selbst diese kurze Zeitspanne wird nicht immer genutzt. So muss man davon ausgehen, dass COVID-19 längst in Oberitalien und Großbritannien sein Unwesen trieb, bevor man im übrigen Europa auf diesen Virus aufmerksam wurde.

Es ist grundsätzlich richtig, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, um die Krankenhäuser nicht gar zu sehr zu überfordern. Wie weit kann und darf man aber dafür die Freiheitsrechte der Bürger einschränken? Was ist verfassungsrechtlich oder moralisch geboten oder zulässig? Eines sollte auf jeden Fall klar sein: Diese Beschränkungen dürfen das tatsächlich notwendige Maß nicht überschreiten. Die aktuellen bundesweit geltenden Beschlüsse kann man im Wesentlichen mit einigem Unbehagen gerade noch akzeptieren. Es ist gut und richtig, den Bürgern nicht die Bewegung an der frischen Luft zu verbieten, auch wenn sie nicht gerade für ihre Arbeit oder für notwendige Besorgungen unterwegs sind. Welche Gefährung entsteht jedoch, wenn jemand nach einem halben Jahr Winterblues auf einer Bank oder auf einer Grünfläche die Sonne genießt, wenn die notwendigen Abstände zu anderen Menschen eingehalten werden? Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel, der sich z. Zt. wegen einer Corona-Erkrankung in häuslicher Quarantäne befindet, schätzte die Ansteckungsgefahr im Freien als wesentlich geringer ein als beim Aufenthalt in geschlossenen Räumen. (Interview mit Berliner Rundfunk 91,4 vom 30.3.2020). Wie will man zudem flächendeckend kontrollieren, was sich hinter verschlossenen Türen abspielt? Und ob es dort nicht so richtig drunter und drüber geht? Gut, dass hier nachgebessert wurde.

Noch stärkere Einschränkungen würden daher kaum etwas bringen. Auch wenn bisher nur ein winziger Bruchteil der Bevölkerung positiv getestet wurde, so muss man von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, da nur ein geringer Teil der leicht Erkrankten und erst recht kaum Symptomfreie überprüft wurden. Es gibt wohl kaum noch Orte in Deutschland, die von diesem Virus noch nicht erreicht wurden. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte mal dazu, der Staat könne das vernünftige Verhalten seiner Bürger nicht ersetzen. Wir müssen also durch diese schwere Zeit hindurch, so gut wie es eben geht. Und wir müssen für die Zukunft Vorsorge treffen. Die kann jedoch nicht nur im Ausbau von Nachsorgekapazitäten bestehen.

 

Vorsorgen ist besser als therapieren

Zunächst muss das Entstehen solcher Epidemien vor Ort vermieden werden. Im konkreten Fall weist fast alles auf gefangene Wildtiere hin, die in der chinesischen Provinz Wuhan auf den Märkten zum Verzehr verkauft wurden. Aber auch die teilweise katastrophalen Zustände in der industrieellen Tierhaltung, beim Transport und bei der Schlachtung tragen offensichtlich in erheblichem Maße dazu bei. Zudem wird über ein Entweichen des Virus aus einem geheimen Labor spekuliert. Wie auch immer – es bedarf eines radikalen Umdenkens. Nicht nur bei den Verbrauchern, sondern vor allem auch bei den Regierenden. Denn auch der Kauf eines etwas teureren Produktes oder die Einkehr in ein etwas nobleren Restaurant bietet keineswegs die Gewähr, dass damit den Belangen des Menschen-, Tier- und Umweltschutzes gedient ist, wie es mal der frühere Foodwatch-Chef Thilo Bode anführte. Vielmehr ist es Aufgabe des Staates, hier akzeptable Mindeststandards durchzusetzen – ohne Wenn und Aber.

Als weiterer Punkt sei ein weltweites Monitoring zur Entwicklung bedrohlicher Krankheiten genannt. Und eine lückenlose internationale Zusammenarbeit der Gesundheitsämter, Ministerien und Institute unter Zurückstellung so mancher zwischenstaatlicher Zwistigkeiten. Denn Naturkatastrophen und Krankheitserreger scheren sich nicht um solche Befindlichkeiten.

Falls sich etwas Gefährliches zusammenbraut, bedarf es strikter Ein- und Ausreisekontrollen und -beschränkungen. Insbesondere Menschen, die aus betroffenen Ländern kommen oder verdächtige Symptome aufweisen, gehören zunächst einmal in Quarantäne. Diese Maßnahmen wurden noch vor wenigen Wochen als nicht umsetzbar abgelehnt – und jetzt will man 82 Millionen Einwohner kontrollieren!

Das Gesundheitssystem muss voll und ganz dem Wohl der Menschen dienen. Wenn – wie es auch in der übrigen Wirtschaft sein sollte – mit guter Ware und guter Leistung gutes Geld verdient wird, ist das in Ordnung. Krankheitsgewinnlern, die sich diesem Ziel verweigern, muss konsequent das unsaubere Handwerk gelegt werden. Dazu sind insbesondere Forschung und Lehre von Profitinteressen frei zu halten. Die Ökonomisierung dieses Systems begünstigte bereits das Aufkommen einer anderen Gefahr: Die multiresistenten Keime. Mögen sich Bakterien und Viren strukturell erheblich unterscheiden – die Faktoren, die einer Ausbreitung Vorschub leisten, sind praktisch gleich.

Ich hatte bereits die Bedeutung moderner Verkehrsmittel für die Verbreitung von Krankheiten angeführt. Die weltweite Bewegung von Menschen und Gütern ist nicht unbedingt verkehrt; etwas weniger könnte letztlich aber auch mehr sein. Informationen müssen nicht unbedingt direkt von Mensch zu Mensch ausgetauscht werden, man kann sie auch über das Internet übermitteln. Briefpost und Telefon gibt es übrigens schon länger. Waren aus Übersee weisen zumeist auf Grund prekärer Arbeitsbedingungen einen Wettbewerbsvorteil auf, der es inländischen Herstellern schwer oder unmöglich macht, dabei mitzuhalten. Ein weiterer Aspekt ist die Abhängigkeit von den Produzenten. Als aktuelles Beispiel sei der Mangel an Masken und sonstiger Schutzkleidung genannt, die zumeist aus Fernost importiert werden.

Auch der Sinn privater Reisen muss kritisch beleuchtet werden. Wenn man sich sorgsam von der einheimischen Bevölkerung abschirmen lässt, um sich an einem exotischen Strand die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, ist das wohl kaum ein Beitrag zur Völkerverständigung. Dafür wird tonnenweise Kerosin verpulvert. Wer nach Mallorca düst, um sich dort die Rübe vollzuschütten, reist billiger, als jemand, der mit der Bahn von Berlin nach Sachsen fährt, um seine Verwandten zu besuchen. Wie gut kennt man eigentlich die unmittelbaren Nachbarländer, Deutschland selbst und die nähere Umgebung?

Für den täglichen Weg zur Arbeit unternimmt man zwar keine Weltreise; oftmals sind jedoch Entfernungen im zwei- oder gar dreistelligem Kilometerbereich zu bewältigen. Lohnt sich das tatsächlich, nicht nur wegen der Kosten, sondern auch wegen der stundenlangen eintönigen Fahrerei? Mein Großvater zeigte mir mal vom Stubenfenster aus seinen Arbeitsplatz im RAW (Reichsbahnausbesserungswerk) Potsdam auf der anderen Straßenseite. In dem Lebensmittelladen unten im Haus konnte meine Großmutter die meisten Einkäufe erledigen. Einen Bäcker und einen Fleischer gab es bereits an der nächsten Straßenecke. Auch damals hatte es längst nicht jeder so günstig. Aber es war eine Zeit ohne verstopfte Straßen und Parkplatznot.

Was ist also zu tun? Außer den o. g. Maßnahmen (weltweites Monitoring und strikter Einreisekontrollen im Falle eines Falles) muss das weltweite Reisen endlich kosten, was es aus Gründen des Umwelt- und Ressourcenschutzes ohnehin kosten müsste. Die Pendlerpauschale sollte für Neuzugänge gestrichen und für Altfälle auf dem bisherigen Stand eingefroren werden. Die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose wären (wenn man sie nicht ohnehin abschaffen will) auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Es bedarf einer Politik, die Strukturen der kurzen Wege fördert. Die Bereiche Wohnen, Arbeit, Versorgung, Kultur, Freizeit usw. sollten Im Idealfall fußläufig erreichbar sein. Auch das Fahrrad ist in diesem Sinne ein geeignetes Verkehrsmittel, da bereits aus verkehrstechnischen Gründen ein gewisser Sicherheitsabstand eingehalten werden muss. Die oft rappelvollen öffentlichen Verkehrsmittel sind durch die aktuelle Situation etwas in Verruf geraten, doch dies wurde – wie bereits angeführt – erst durch die weltweite Mobilität herbeigeführt. Seit deren Aufkommen übrigens zum ersten Mal in diesem Ausmaß. In diesem Sinne konnte auch mein bereits angeführter Großvater damals beruhigt seiner Arbeit nachgehen.

Diese Pandemie ist ein Grund mehr, dem Wachstum der Großstadtregionen Einhalt zu gebieten. Denn gerade in den dichtbesiedelten Arealen breitet sich der Virus besonders schnell aus. Wer davon träumt, dass die deutschen Metropolen irgendwann mit New York gleichziehen könnten, sollte sich auch mal deren aktuelle Situation vor Augen führen. Ein Weiterwursteln wie gehabt kann und darf es nach dem Abebben von COVID-19 nicht geben. Ohnehin wird die gesamte Weltwirtschaft dadurch arg ins Schlingern geraten. Eine Krise wie 1929 oder noch ärger ist nicht auszuschließen. Wie soll die einigermaßen sozial verträglich bewältigt werden? Wenn sich nichts ändert, ist das nächste Desaster vorprogrammiert. Sollten in wenigen Jahren ähnliche Notmaßnahmen erforderlich sein, werden viele Bürger ihre Politiker fragen>: “Habt ihr gar nichts aus 2020 gelernt?”

HW

Das Risiko des Klimawandels und mögliche Gegenmaßnahmen

Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte der schwedische Forscher Svante Arrhenius den Effekt, dass CO2-Moleküle im Unterschied zu den Hauptbestandteilen der Atmosphäre Stickstoff, Sauerstoff und Argon Infrarotstahlung absorbieren. Und dass dadurch die Abstrahlung der vom Erdboden aufgenommenen Wärme ins Weltall vermindert wird.

Zweifeln ist legitim. Und damit auch die Meinung zu äußern, dieses Thema müsse noch weiter erforscht werden. Man kann jedoch nicht mit den notwendigen Gegenmaßnahmen warten, bis die allerletzten Bedenken ausgeräumt sind und uns buchstäblich das Wasser bis zum Hals steht. Es gibt ehrlich Zweifelnde und Ungläubige unter den Klimawandel-in-Frage-Stellern und -Leugnern. es gibt aber auch viele Interessenvertreter der Kohle-, Öl- und Atomlobby. Mag man auch den Verfechtern der Erneuerbaren eigene Gewinninteressen vorhalten, so gibt es diese bei den Befürwortern der fossilen Energien nicht minder.

Es wäre fahrlässig, diese Leute, die bereits die Lufthoheit über viele Stammtische erobert haben, einfach ignorieren zu wollen. Denn unsere Demokratie basiert nun einmal darauf, dass jeder Bürger unabhängig von seinem sozialen Status und seiner Qualifikation wählen darf und auch selbst gewählt werden kann. Es bedarf daher geduldiger Überzeugungsarbeit, um die zur Umsetzung des Klimaschutzes notwendigen Mehrheiten zu gewinnen.

 

Zunächst einmal zu einigen Gegenargumenten:

 

“Das Klima aller Klimazonen der Erde war niemals konstant. Klimaänderungen sind die Regel.”

Grundsatzpapier Energie


Update vom 4. Mai 2011

 

– Stimmt zunächst. Das eigentliche Problem sind jedoch nicht die kurz- und mittelfristigen Klimaschwankungen, sondern die zu erwartenden langfristigen Veränderungen. Denn wenn sich das CO2 erst einmal in der Atmosphäre befindet, bekommt man es nicht so schnell wieder gebunden, zumal sich mit den weltweit vorhandenen Wäldern die Menge der effektivsten CO2-Senken vermindert, sei es durch Abholzen, Brandrodung oder sonstige Waldbrände. Sollte man abwarten, dass sich die letzten Zweifel bezüglich der Wirksamkeit dieses Gases zerstreuen, so würde wertvolle Zeit vertan. Zudem gibt es gute Argumente, sowohl mit fossilen Brennstoffen wie auch mit den sonstigen Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen.

 
“Die stetige Zunahme an Schnee und Eis in der Antarktis zeigt auch die Neukonstruktion der deutschen Antarktis-Forschungsstation Neumeyer III.” (s. o.)

 

– Dies liegt nicht nur an den Temperaturen (zumal diese in der Antarktis und auch auf Grönland ohnehin meistens im Minusbereich liegen), sondern vor allem auch an der Menge der dort fallenden Niederschläge.

 
“CO2 – Schadstoff oder Lebenselixier?” (s. o.)

 

– Natürlich brauchen Pflanzen für ihr Wachstum auch CO2. Doch das ist längst nicht die einzige Voraussetzung. So wurden mal in einem alten Lehrbuch die einzelnen Wachstumsfaktoren (CO2, Wasser, Wärme, Licht und die verschiedenen Nährstoffe) mit einem Fass mit unterschiedlich hohen Dauben verglichen. Die niedrigste Daube bestimmt das Fassungsvermögen. Die Höhe der anderen ist dabei unerheblich. So war es auch im Sommer 2018, der vielen Bauern katastrophale Missernten bescherte. Doch dies lag keineswegs an einem Mangel an CO2, sondern vielmehr an der langen Dürreperiode.

Ein weiteres Problem im Umgang damit sind auch manche untaugliche und sogar grotesk anmutende Lösungskonzepte

Wie das CCS.Verfahren (Carbone Capture and Separation). Die in unterirdischen Lagerstätten zu verbringenden CO2-Mengen entsprächen der 3,4-fachen Menge des für die Energiegewinnung eingesetzten Kohlenstoffs. Oder der etwa 4-fachen Menge aufgrund der zusätzlich benötigten Prozessenergie, wenn man sich auf den Materialeinsatz zur Gewinnung der Netto-Energie bezieht. Diese Lagerstätten müssten höchsten Sicherheitsanforderungen genügen. Denn bei einem allmählichen Entweichen des Klimagases wäre der ganze Aufwand für die Katz. Ein schnelles Austreten hätte für die dort lebenden Menschen katastrophale Folgen. Zudem könnte des CO2 nur in Pipelines in einigermaßen wirtschaftlicher Weise von den Kraftwerken zu den unterirdischen Deponien transportiert werden. Tanklastwagen müssten im Minutentakt rollen. Ein ökonomischer Wahnsinn!

Noch absurder ist die Vorstellung, man könne das bereits in der Atmosphäre enthaltene CO2 mit technischen Mitteln abscheiden und endlagern. Oder sollte man es nicht besser in synthetischen Kraftstoff umwandeln und dafür das Öl in der Erde lassen? Doch auch das erfordert einen hohen technischen Aufwand und eine Unmenge Energie. Es gibt auch die Idee, Holz oder andere Biomasse unterirdisch einzulagern. Sollte aber diese nicht besser gleich an Ort und Stelle verbleiben? Die Natur setzte so bereits über Jahrmillionen eine erfolgreiche Kohlenstoffabscheidung um. Der Mensch sollte dies durch geeignete Maßnahmen unterstützen, anstatt sich anzumaßen, mit seiner Technik besser sein zu wollen.

Um eine mühevolle geistige und administrative Kleinarbeit anstelle des großen Wurfes kommen wir also nicht herum. Zunächst müssen also die noch vorhandenen fossilen Rohstoffe in der Erde belassen und durch Erneuerbare ersetzt werden. Muss dies aber tatsächlich im Verhältnis eins zu eins geschehen? Sollten wir nicht – über 40 Jahre nach dem Mahnruf des Club of Rome – endlich die gigantische, ständig weiter wachsende Verschwendung von Energie und sonstigen Rohstoffen beenden und uns einem nachhaltigen Wirtschaften zuwenden? So, wie es auch unsere Vorfahren praktizierten, die mit Kleidung, Möbeln und Gerätschaften sorgsam umgingen und diese reparierten und aufhübschten, wenn nötig? Sicher lag auch damals vieles im Argen, doch die Vernichtung der natürlichen Existenzgrundlagen der Menschheit nahm erst in jüngerer Vergangenheit wirklich bedrohliche Ausmaße an.

Auf dem Weg in die Zukunft werden wir uns nicht nur von so manch liebgewordener Gewohnheit trennen müssen, sondern auch von der Ideologie immerwährenden materiellen Wachstums, die die Wortführer des kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Systems wie eine Monstranz vor sich her tragen. Was wir jedoch mitnehmen können, ist unser Wissen. Nicht nur das, was den wissenschaftlich-technischen Bereich betrifft, sondern auch unsere sonstigen Erfahrungen über gut Gelungenes, Fehler und Misserfolge. Der wissenschaftlich-technische Fortschritt kann dabei sehr hilfreich sein, wenn er klug genutzt wird. Man vergleiche nur einmal den Energiebedarf des alten röhrenbestückten Dampfradios mit den Empfängern auf Transistorbasis oder die Glühbirne mit der LED-Beleuchtung.

Der Fehler sitzt im System

Zu den unbestreitbaren Stärken der Marktwirtschaft gehört die weitgehend freie Entfaltung unternehmerischer Tätigkeit und die Regulierung von Angebot und Nachfrage über den Preis. Wie aber bemisst man den Wert von Bodenschätzen und sonstigen Naturreichtümern, Ackerflächen, Siedlungsarealen und Kulturgütern? Der kurzfristig zu erzielende Gewinn kann und darf nicht das alleinige Kriterium sein. Ebenso ist es ein Unding, wenn kostbare Naturgüter zu einem lächerlichen Preis verramscht werden. Und nach deren Ausbeutung öde, vergiftete Wüsten zurückbleiben. Eben dies ist jedoch der Fall, wenn der jeweilige Staat seine Aufgabe als ordnende Instition nicht oder nur in ungenügendem Maße wahrnimmt. Schließlich kann auch die vielgepriesene Marktwirtschaft nur funktionieren, wenn staatliche Institutionen als Schiedsrichter über die Einhaltung klar definierter Regeln wachen.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hatte einige erhebliche Konstruktionsmängel. So blieb die Marktmacht der vier großen Dinosaurier-Konzerne zunächst erhalten. Unsinnige Fehlsteuerungen führten dazu, dass Oma Käthe in Brandenburg die Netzdurchleitungsgebühren für bayerische Skilifte und Schneekanonen mitbezahlen musste. Offshore-Windkraftanlagen in der Ostsee konnten nicht ans Netz gehen, weil der Bau der notwendigen Leitungen durch Kriegsaltlasten behindert wurde. Ständig steigende Enerhiepreise sind der Begeisterung für die Energiewende nicht gerade förderlich.

Eine Rekommunalisierung früher veräußerter Stadtwerke und Netzrückkäufe oder die Gründung neuer Stadtwerke sind elementare Voraussetzungen für eine schnelle Energiewende.
Hermann Scheer, verstorbener SPD-Politiker und Energiewende-Visionar

Was ist also zu tun?

Die Quelle fast aller Energie ist unser Zentralgestirn. Mit Vorbedacht wählte der Autor Franz Alt für eines seiner Bücher den Titel “Die Sonne schickt uns keine Rechnung”. Durchschnittlich steht das Sonnenlicht für 12 Stunden pro Tag zur Verfügung. Sowohl zur Beleuchtung, um sich daran zu erwärmen, das notwendige Vitamin D zu bilden als auch seine Wäsche damit zu trocknen. Auch für das Pflanzenwachstum und damit für die Bildung von Biomasse ist die Sonne unentbehrlich. Jeder Winter erinnert uns daran, weil sie dann etwas weniger scheint. Ebenso haben Wind und Wasserkraft ihren Ursprung darin.

Allerdings lassen sich die Primärenergien Wind und Sonnenschein nicht als solche speichern. Bei Wasserkraftwerken ist es jedoch möglich, je nach Bedarf etwas mehr oder etwas weniger Wasser auf die Turbinen zu leiten. Oder auch in Zeiten reichlichen Energieangebotes wieder etwas hochzupumpen. Ebenso kann und sollte Biomasse gespeichert und hauptsächlich in Zeiten erhöhten Bedarfs genutzt werden. Blockheizkraftwerke erzeugen nicht nur Strom, sondern ermöglichen auch die Nutzung der dabei anfallenden Wärme, die ansonsten über Kühltürme an die Umwelt abgegeben werden müsste. Die Speicherung überschüssiger Energie in Form von Wasserstoff ist zwar nicht besonders effizient, aber dennoch sinnvoll, wenn man die Primärenergie kostenlos ernten kann. Natürlich ist das alles nicht so einfach in die Realität umzusetzen, aber so ganz einfach und bequem ist die Gewinnung fossiler Energieträger eben auch nicht. Weder bei der Kohle, noch bei Öl und Gas. Oder gar beim Uran.

Es gibt Konzepte, in den nordafrikanischen Wüstengebieten große Solarstromanlagen zu errichten und die Energie nach Europa zu leiten. Da jedoch ein erheblicher Teil für bestimmte, rohstoffverarbeitende Industriebranchen benötigt wird, ist es überlegenswert, diese Rohstoffe auch in der Nähe solcher Energiegewinnungsanlagen weiterzuverarbeiten, sofern es in Anbetracht des Verlaufs der Warenströme als sinnvoll erscheint. Desertec mal etwas anders. Eine Umsetzung solcher Pläne bedarf jedoch stabiler sozialer und politischer Verhältnisse in diesen Staaten.

Die unsinnige Ressourcenverschwendung durch unsere Überfluss- und Überdrussgesellschaft hatte ich bereits angeführt. Eine wesentliche Ursache ist in dem krassen Lohngefälle zwischen hauptsächlichen Verbraucher- und Herstellerstaaten begründet. So ist es vordergründig ökonomischer, Rohstoffe zu fördern und zu verarbeiten, als bereits Vorhandenes zu erhalten oder zu erfassen und neu zu verwerten.

Ein wichtiger Energiefresser ist der Verkehr. Als anschauliches Beispiel für die Vermeidung unnötiger Wege seien meine Großeltern angeführt. Mein Großvater arbeitete im gegenüberliegenden RAW (Reichsbahnausbesserungswerk) Potsdam. Unten in dem dreistöckigen Wohnhaus befand sich ein Lebensmittelladen und in der Nähe ein Fleischer und ein Bäcker. Natürlich hatten es selbst zur damaligen Zeit längst nicht alle so günstig. Dennoch kann und muss sich eine Strukturpolitik, die diesen Namen verdient, an einem guten Mix der Bereiche Wohnen, Arbeiten, Bildung, Verwaltung, Versorgung, Freizeit und Erholung orientieren, um so den Menschen unnötige Wege zu ersparen. Insbesondere die täglichen Pendlerströme mit dem Ziel des Broterwerbs gleichen wahren Völkerwanderungen. Dadurch wird hauptsächlich am Morgen und am späten Nachmittag die Verkehrsinfrastruktur erheblich belastet.

Das vielgepriesene E-Mobil kann zwar hier und dort dazu beitragen, die Luftqualität zu verbessern und den Straßenlärm zu mindern – eine Patentlösung, die den mit Verbrennungsmotor betriebenen Straßenverkehr im Verhältnis 1 : 1 ersetzen könnte, ist es indes nicht. Denn dazu müsste der zusätzlich benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen stammen, es bedürfte des flächendeckenden Aufbaues einer Ladeinfrastruktur und eines verstärkten Leitungsnetzes. Zwar lassen sich auch Dächer von Carports mit Solarzellen bestücken, doch diese müssten auch auf den Parkplätzen der jeweiligen Arbeitgeber verfügbar sein; insbesondere für Vollzeit-Arbeitskäfte, die zur Winterzeit im Dunkeln zur Arbeit fahren und im Dunkeln zurückkehren. Schließlich sind auch die für leistungsfähige Batterien benötigten Rohstoffe knapp und teuer. Deren Abbau erfolgt zudem unter prekären sozialen und ökologischen Bedingungen.

Ähnliches gilt auch für die aus erneuerbaren Rohstoffen gewonnenen Kraftstoffe. Dadurch wird das Auto zu einem zusätzlichen Kostgänger gemäß dem Prinzip “Tank statt Teller”, so dass sich speziell für die ärmere Bevölkerung ohnehin benachteiligter Staaten die Lebensmittelpreise drastisch erhöhen. Zudem werden großflächlich wertvolle Naturwälder abgeholzt, um dort riesige Palmölplantagen anzulegen.

Echte Alternativen bieten also nur der fußläufige Verkehr, das Fahrrad und die öffentlichen Verkehrsmittel. Deren verstärkte Nutzung könnte die Hauptprobleme der Autofahrer – Stau und Parkplatznot – mindern und käme somit auch denen zugute, die weiterhin auf ihr privates, gewerbliches oder dienstliches Fahrzeug angewiesen sind.

Viel Strom benötigten die von Konrad Zuse und anderen Pionieren entwickelten Rechenmaschinen. Die Erfindung des Transistors brachte auch für die Informatik einen gewaltigen Fortschritt. Eine weitere Revolution war das Aufkommen integrierter Schaltkreise. Jedoch verführten die Fortschritte der Hardware- Und Softwaretechnik auch zur Produktion von Unmengen weniger wichtiger oder gar völlig unnützer Daten. Der Energiebedarf der alten EDV-Anlagen wurde bereits um ein Vielfaches überschritten.

Der eingangs erwähnte Svante Arrhenius freute sich bereits auf eine allmähliche Erwärmung seiner Heimat. Allerdings bedachte er nicht, dass ein Abschmelzen des Festlandeises auch zu einem erheblichen Anstieg des Meeresspiegels führen könnte. Oder zu einem Unterbrechend des Nordatlantikstromes. Der Thriller “The day after tomorrow” verdeutlichte die möglichen Folgen solcher Veränderungen in drastischer Weise. In den 50ern des vorigen Jahrhunderts gab es mal die Überlegung, die Beringstraße zwischen Sibirien und Alaska durch einen gewaltigen Damm abzuriegeln und das warme Wasser des Pazifik mittels Atomkraft in das nördliche Eismeer zu pumpen. Es wurde nichts daraus.

Wir können Ansprüche stellen und stets nach Höherem streben. Doch alles hat seinen Preis. Um zu mehr Lebensqualität zu gelangen oder auch nur das Erreichte dauerhaft zu bewahren, bedarf es großen Fleißes. Und dieser Fleiß beginnt im Kopf.

 

Herbert Weiß

Zankapfel Feuerwehr

Der nicht enden wollende Streit um den neuen Standort

Die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts errichtete Stahnsdorfer Feuerwache erwies sich auf die Dauer als zu klein. Da traf es sich Anfang der 90er Jahre recht gut, dass der Kfz-Meister Rainer Breitenwischer einen Standort für sein neues Mitsubishi-Autohaus suchte. Dies gelang über einen Grundstückstausch. Breitenwischer konnte am Bäkedamm investieren und Stahnsdorf die Autowerkstatt am Dorfplatz für seine Freiwillige Feuerwehr nutzen. Die alte Feuerwache und ein angrenzendes Grundstück mit einem nicht mehr benötigten Verwaltungsgebäude wurden an das auf öffentliche Beleuchtung speziaisierte Unternehmen Manfred Unger GmbH verkauft.

Im Laufe der Jahre stellte man fest: auch die alte Werkstatt war etwas zu knapp. Trotz Ausstemmens von Fahrspuren in den Betonestrich blieb für das neue große Drehleiterfahrzeug kaum eine Handbreit Platz nach oben, zur Rückwand und zum Tor. Hinzu kamen Probleme mit ungebetenen Untermietern. Ratten knusperten gelegentlich an der Einsatzbekleidung. Einen toten Nager fand ein Feuerwehrmann gar in seinem Stiefel.

Eine Arbeitsgruppe, die sich mit elf möglichen Standorten für einen Neubau beschäftigt hatte, kam zu dem Schluss, dass eigentlich nur ein Umbau des bestehenden Gebäudes oder aber eine Fläche in der Annastraße neben dem Gemeindezentrum in Frage kämen. Denn kurz vor der Jahrtausendwende war die Gemeindeverwaltung in einen von den Russen freigezogenen und umgebauten Kasernenblock eingezogen. Die Freifläche entstand durch den Abriss eines benachbarten unsanierten Blocks sowie einiger kleinerer Nebengebäude. So fasste denn im Dezember 2013 eine durch die Vertreter von Bürger für Bürger und SPD zustande gekommene Mehrheit den Beschluss, hier eine Feuerwache zu errichten und eine zweite für die dicht nebeneinander liegenden Ortsteile Schenkenhorst und Sputendorf.

Doch dieser Beschluss, den der Vorsitzende des Fördervereins der örtlichen Feuerwehr Michael Kortz im damals vierteljährlich erscheindenden örtlichen SPD-Blatt “Gütergotzer Landbote” mu begeisternden Worten begrüßte, wurde nach der Kommunalwahl im Mai 2014 durch einen Schwenk der neu als Gemeidevertreter gewählten Genossen gekippt. Die aus den Wahlen gestärkt hervorgegangene CDU und Wir Vier hatten aus ihrer Ablehnung des Standortes in der Annastraße ohnehin keinen Hehl gemacht. Mit diesem Filetstück könne man etwas besseres anfangen, als es für die popelige Feuerwehr zu verschwenden.

Im Stillen hatte man bereits mit dem Eigentümer des gegenüber der Einmündung der Annastraße in den Güterfelder Damm liegenden Waldes verhandelt. Dieser hatte seine Preisvorstellungen etwas revidiert. Über Einzelheiten sollte allerdings Stillschweigen gewahrt bleiben. Vorgesehen war zunächst ein geringerer Preis. Erst bei Umwandlung in Bauland solle eine Nachzahlung erfolgen, so wurde in einer Gemeindevertretersitzung Anfang 2016 erklärt. Das aktuelle Quartier am Dorfplatz verglich Kortz mit einem alten Gebiss, welches man auch mit neuen Goldzähnen nicht wirklich verbessern könne. Regina Schwarz (BfB/Neue) entgegnete: “Wir hatten einen Standort und könnten jetzt Richtfest feiern. Die Ratten würden bald tot im Dorfteich schwimmen.” Sie warnte vor den Begehrlichkeiten anderer Eigentümer, die ebenfalls versuchen könnten, ihren Wald profitabel zu vermarkten. Die beiden Mtstreiter von B 90/Grüne – Thomas Michel und Bettina Schmidt-Faber – sprachen sich konsequenterweise ohnehin gegen eine Waldumwandlung aus. Auch Bürgermeister Bernd Albers (BfB) verwies noch einmal auf den möglichen Baufortschritt, hätte man den Beschluss vom Dezember 2013 umgesetzt. Auf Grund der Prüfung von Naturschutzbelangen werde es mindestens zweieinhalb Jahre dauern, bis man am Güterfelder Damm Baurecht habe. Wie zu erwarten, erwies sich der neue Platz als nicht umsetzbar. Die Kommunalaufsicht störte sich an dem vorgesehenen Flächenkauf, da die Gemeinde schließlich ein geeignetes Grundstück habe. Und auch die Forstbehörde spielte nicht mit.

Im August konnte die neue Feuerwache am östlichen Rand von Schenkenhorst feierlich ihrer Bestimmung übergeben werden; nur 300 Meter vom benachbarten Sputendorf entfernt. Die frühere Schenkenhorster Ortsvorsteherin Karin Steingräber erinnerte daran, dass sie bereits auf einer Amtssitzung in Güterfelde vor 20 Jahren auf die desolate Lage hingewiesen und eine neue Wache angemahnt habe. Überlegungen, die Wehren der Ortsteile zu schließen und den Brandschutz generell an Stahnsdorf zu übertragen, habe sich der damalige Bürgermeister und Amtsdirektor Gerhard Enser entgegen gestellt. Doch auf Grund der damals prekären Stahnsdorfer Finanzlage dauerte es noch mehrere Jahre, bis im April 2015 mit dem Bau des neuen Feuerwehrdomizils begonnen werden konnte. Mit einiger Wehmut dachte manch einer der Kameraden daran, dass in Stahnsdorf selbst der erste Spatenstich noch in einer ungewissen Zukunft lag.

Bürgermeister Albers startete einen neuen Versuch. Als er im Frühjahr 2017 den Auftrages der Gemeindevertretung umsetzen sollte, ein Konzept für die Bebauung der gemeindeeigenen Fläche an der Annastraße erarbeiten zu lassen, fanden im Entwurf des Gebäudes direkt an der Annastraße nicht nur die neue Bibliothek und ein Bürgersaal mit dem gleichen Fassungsvermögen wie die Aula der Zille-Schule Platz, sondern auch die Feuerwehr mit Fahrzeughalle, Umkleideräumen, Werkstatt und Schulungsräumen. Dahinter sollte ein Dienstleistungs- und Gewerbezentrum enstehen. In einigen mehrgeschossigen Punkthäusern wäre Raum für 50 bis 100 barrierefreie Wohnungen gewesen. Aber auch für diese Idee gab es keine Mehrheit. Wen wuderte es, dass die Stahnsdorfer Feuerwehr beschloss, sich auf ihre Kernaufgabe zu beschränken und jede weitere ehrenamtliche Aktivität einzustellen.

Im Oktober 2017 machte ein neuer Vorschlag die Runde. Ein Areal zwischen der Annastraße und dem Netto-Supermarkt. Doch dazu hätte auch ein der Gemeinde gehörendes Einfamilienhaus weichen müssen. Der dort seit 30 Jahren mit seiner Familie wohnende Mieter machte denn auch in der Einwohnerfragestunde seinem Herzen Luft. Man werde sich nicht so einfach vertreiben lassen.

Die Fortsetzungs-Sitzung Anfang November musste allerdings auf Grund mehrerer Absagen verschoben werden. Die verbleibenden Gemeindevertreter nutzten jedoch diesen Abend, um eine Lösung zu finden. Diese wurde im Februar 2018 zunächst im Bauausschuss und zwei Tage später in der Gemeindevertetung beraten. Es war ein mittlerweise mit Bäumen bewachsenes Stück früheren Ackerlandes nördlich des Schwarzen Pfuhls. Zwar fand sich in namentlicher Abstimmung dafür eine breite Mehrheit, jedoch hatten es die von den fünf Ablehnenden vorgebrachten Argumente in sich: Da das Grundstück Bestandteil des Landschaftsschutzgebietes Parforceheide sei, müsse es zuvor aus diesem Status entlassen werden. Und das dauere mindestens zwei Jahre.

Es war keine große Überraschung, als Anfang 2019 auch dieser Standort am Veto der Naturschutzbehörde scheiterte. Nun wollen CDU, SPD, Wir Vier und Linke am 2. Mai in einem gemeinsamen Antrag das Grundstück in der Annastraße für eine dritte Grundschule reservieren lassen. Thomas Michel reagierte jedoch bereits in der Sitzung des Bau-, Verkehrs- und Umweltausschusses im Märzdarauf mit dem Hinweis, dass die Größe dieses Areals für beide Vorhaben ausreichend sei. Man darf gespannt sein, wie es nun weitergeht.

Vom Wert der Feuerwehr

Die Höhe der zugesagten Spenden für den Wiederaufbau der durch einen Brand erheblich beschädigten Kathedrale Notre-Dame ist echt beeindruckend. Nach meinem bisherigen Kenntnisstand 750 Millionen Euro. Ohne dies in irgendeiner Weise abwerten zu wollen – was hätte wohl der Bau einer Feuerwache in unmittelbarer Nähe gekostet? Denn das Feuer konnte erst ein derartiges Ausmaß erreichen, weil sich die Feuerwehr eine Stunde lang mühsam durch die verstopften Pariser Straßen quälen musste.

Von solch prekären Verhältnissen ist Stahnsdorf noch weit entfernt, dennoch bieten die Behinderungen durch die aktuellen Baumaßnahmen an der K 6960 und im Bereich der neuen L 77 einen ersten Vorgeschmack auf das, was folgen könnte, wenn man den Begehrlichkeiten zu immer weiterem Wachtum nachgibt. Eben dazu könnte eine Inanspruchnahme der beiden anvisierten Naturflächen oder anderer beitragen. Ein guter Zweck findet sich immer als Begründung. Es wurde auch schon mal in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit neuer Wohnbebauung – teilweise in seniorengerechter Ausführung – erwähnt. Doch dafür stehen noch andere Flächen zur Verfügung, die für die Feuerwehr aus verschiedenen Gründen weniger geeignet wären. Allerdings nicht in unbegrenzter Menge. Na und? Ohne eine vernünftige Regulierung wird es ohnehin nicht gehen. Brandenburg sowie das übrige Deutschland bieten allemal ausreichend Wohnflächen, die – zum großen Teil bereits bebaut – wie sauer Bier angeboten werden. Diese abgehängten Regionen bedürfen einer Strukturpolitik, die diese Bezeichnung verdient. Denn auch in den Ballungsräumen wie der Berliner Hauptstadtregion ist es allein mit dem Wohnungsbau nicht getan. Es bedarf auch der dazu gehörenden Infrastruktur. Die Verkehrswege sind zum großen Teil an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt. Raum für neue Straßen gibt es nur bedingt. Stau und Parkplatznot sind an der Tagesordnung. Belastend für die Pendler auf ihrem Weg zur Arbeit und höchst fatal für Rettungsdienste, die schnell an ihren Einsatzort gelangen müssen.

Die Kameraden der Stahnsdorfer Feuerwehr versehen ihren wichtigen Dienst für die Gemeinschaft freiwillig – wie es schon der Name sagt. Es ist für sie nicht ganz einfach, dies mit ihrem Broterwerb und den familiären Belangen zu vereinbaren. Niemand kann eigentlich wollen, dass sie an mangelnder Wertschätzung resignieren. Die Stahnsdorfer sollten bei ihrer Wahlentscheidung am 26. Mai bedenken, wem sie den bisherigen Eiertanz zu verdanken haben und wer gewillt ist, eine baldige Entscheidung für eine neue Feuerwache herbeizuführen.

 

Herbert Weiß

1. Mai 2019

Die Fahrrad-Tour

Frieda Fleischer (Name geändert) hat unter dem Stichwort “Die Rätselfreunde” an einem Preisausschreiben teilgenommen. Nach mehreren Tagen erhält sie ein Antwortschreiben des S.C.-Handels. Dieser möchte sich mit einem Tag der offenen Tür vorstellen. Und zur Neueröffnung seines “Auslieferungslagers mit Posten-Börse, Sport und Freizeitbekleidung, Camping und Elektroartikel u.v.m. die Möglichkeit geben, Markenware spottbillig einzukaufen” oder ganz einfach den kostenlosen Katalog mit nach Hause zu nehmen. Anschließend soll es noch eine große Neueröffnungsparty geben. Da im Hause eine Tombola stattgefunden habe, sei die Geschäftsleitung in der glücklichen Lage, an Frau Fleischer einen Hauptgewinn zu übergeben: gleich zum Mitnehmen einen Anrechtsschein für ein original Gazelle-Fahrrad, 5-Gang-Nabenschaltung, Rücktrittbremse und Trommelbremse vorn, 10 Jahre Garantie. Ohne wenn und aber garantiert gratis. Und extra für alle Paare/Ehepaaare: ein hochwertiges Werkzeugset bestehend aus Stichsäge, Bohrmaschine, Schleifmaschine, alles im Koffer verpackte Markengeräte.

Doch die Busfahrt dorthin wäre zuviel für sie. Vielleicht könnte ein Bekannter daran teilnehmen. Herbert Weiß (Name nicht geändert) kann. So teilt sie es denn auch der Firma mit. An einem frühen Dezembermorgen geht es los, zunächst kreuz und quer durch die Nachbarorte, bis die letzten Teilnehmer eingesammelt sind. Busfahrer Peter begrüßt die Teilnehmer nun offiziell und informiert sie, dass die Fahrt bis nach Mirow in Mecklenburg gehen wird.

Unterwegs kommt ein Anruf. Das Fahrziel hat sich etwas geändert. Vor einer Gaststätte in Fürstenberg betritt ein freundlicher Mitarbeiter der Firma – den wir mal Nico nennen wollen – den Bus, heißt die Gäste willkommen und begrüßt jeden persönlich mit Handschlag. Die kompletten Einladungen möge man bitte auf den Sitzen liegen lassen; das erleichtere nachher das Verteilen der Gewinne. Die Tische im Saal sind bereits eingedeckt; es gibt es zunächst das versprochene reichhaltige Frühstück. Das Brötchen ist frisch, das Ei ebenfalls. Zwar etwas hart gekocht. Was soll’s. Dazu ein paar Scheibchen Aufschnitt, bestehend aus Salami, Schinken und Käse. Ein Becherchen Marmelade, ein Glas Orangensaft und eine Tasse Kaffee. Ganz passabel. Reichhaltig? Ansichtssache.

Ein eher mittelgroßer, nicht mehr ganz so junger Mann, der bisher in einem Nebenraum saß, die im Bus eingesammelten Einladungen sichtete und dazu Zigarillos rauchte, ergreift nun das Wort. Irgendwie erinnert er an Alfred Tetzlaff. Weitschweifig pirscht er sich an das eigentliche Thema an, spricht mit etwas rauher Stimme zunächst von den allgemeinen Zeiterscheinungen. Von den Schulkindern, die ihre Schulbrote wegwürfen und sich mit Vorliebe von Schokoriegeln und “Mafiaschnitten” ernährten. Wir Älteren dagegen hätten damals noch Vaters Hasenbrot verzehrt. Und vom Gruppenzwang zu teuren Markenklamotten. Man habe ja auch in jungen Jahren einigen Blödsinn verzapft; eine leere Geldbörse auf den Bürgersteig gelegt und – in einem Gebüsch versteckt – an einer Schnur weggezogen, wenn sich jemand danach bückte. Aber man habe doch keine Omas überfallen und ihnen die Handtasche geraubt. Einigen wird das etwas zuviel. Möchten, dass endlich zur Sache kommt. Doch er findet es ungehörig, ihn zu unterbrechen. Einer Zuhörerin legt er nahe, einfach mal vor die Tür zu gehen. Droht auch mit Rauswurf und telefoniert mit dem Chef. Sagt er. Es knistert in der Verstärkeranlage. Und einige Leuchtdioden funkeln auf der Rückseite seines Handys.

Niemand müsse sich persönlich angesprochen fühlen. Wem der Schuh passt, der zieht ihn sich an! – Wer fühle sich heutzutage glücklich? Das wichtigste Thema: die Gesundheit. Wer habe eigentlich ein Interesse an unserer Gesundheit? – “Die Pharmaindustrie” – “Ist jemand anderer Meinung?” – “Wir selbst!” – “Richtig! Und die Krankenkassen”, ergänzt er. Denn die müssten zahlen. Ärzte, Apotheker und Pharmazeuten verdienten nur, wenn wir krank seien.

Tetzlaff II führt konkrete Beispiele an. Die Bildzeitung: “Krebsmedikament nur für Reiche!” Den Spiegel: “Giftkur ohne Nutzen” – ein Beitrag über die Chemotherapie. In Sachsen-Anhalt sei ein wirksames Medikament gegen Diabetes entwickelt worden. Ein milliardenschwerer Pharmakonzern habe die kleine Firma aufgekauft und halte seitdem alles unter Verschluss.

Eine Grafik verdeutlicht: Im Laufe der Jahrzehnte setzen sich die Herzarterien immer mehr zu. Bis es dann zu dem gefürchteten Infarkt kommt. Kann man nichts dagegen tun? Man kann. Hat jemand etwas von Q 10 gehört? Einige kennen es. Doch das sei ziemlich teuer. Und nun stellt er mit viel Brimborium sein Mittel vor: Cardioforte! In einem großen Pappherz befinden sich etwa 40 Fläschchen. Jeden Tag eines austrinken. Aber vorher schütteln, damit sich das abgelagerte Gel auflöst. Wenn man eine solche Kur absolviert, hat man wieder zehn Jahre Ruhe. Wenn nun eine Jahreskur mit Q 10 immerhin 800 Euro kostet, was ist dann dafür angemessen? Keine allzu schwierige Rechenaufgabe. Aber so teuer ist das nicht. Nur ganze 2399 Euro! Heute allerdings könne man es zum Extrapreis bekommen.

Für dieses Mittel habe die Firma eine Auszeichnung erhalten. Und die sei mit 500 000 Euro dotiert. Ein schönes Sümmchen. Doch um darauf keine Steuern zahlen zu müssen, würde man das Geld verschenken. Und an wen? An die treuen Stammkunden. Dafür, dass sie für dieses schöne, heilsame Produkt als Gesundheitsbotschafter werben. Natürlich müsse man das Glück entscheiden lassen.

Jeder solle nun das Los auf seinem Platz öffnen. Doch das sind eigentlich die Lose für Mirow. Was machen wir denn da? Nehmen wir doch einfach die Endziffer! Wenn die mit der aufgerufenen Zahl übereinstimme, sich melden und laut rufen: Gesundheitsbotschafter Meier, Müller oder Schulze! Wer hat die Eins? Wer hat die Drei? Wer hat die Fünf? Ich habe die Fünf. Doch mir ist die Sache zu blöd. Auch wenn 500 Euro zu gewinnen sind. Die werden mit der Cardioforte-Packung verrechnet und so muss man nur noch schlappe 800 Euro dazuzahlen. Doch auch die meisten anderen sind skeptisch. Das Kerlchen wirkt etwas gereizt.

Zum Mittagessen stehen zwei Gerichte zur Auswahl. Kann man weiterempfehlen. Der Preis ist recht manierlich. Hmm – Moment mal – war das nicht auch kostenlos?

Es geht weiter. Nico erzählt von einem schweren Autounfall, den er vor einigen Jahren erlitt. Seitdem hinkt er. Gegen seine starken Schmerzen halfen die Mittel der Schulmedizin kaum. Hatten nur etliche Nebenwirkungen. Wesentlich erfolgreicher waren naturheilkundliche Methoden. Und eben auch die von der Firma vertriebenen Magnetpflaster. Dann ist Tetzlaff II wieder dran. Vom Elektrosmog hat wohl jeder schon etwas gehört. Nicht ungefährlich ist auch die Strahlung eines Handys. Doch viele brauchten es eben. Auch er hat so ein Ding.

Bitte ein Freiwilliger nach vorn! Einer hat einen Herzschrittmacher. Nee, das geht nicht – aber ein anderer hat keinen. Er soll den Arm ausstrecken. Nicht nach vorn – zur Seite! Nico soll ihn runterdrücken. Geht nicht so einfach. Und nun mit dem Handy auf der linken Brustseite. Na, bitte! Der Arm geht runter. Um also die schädliche Strahlung abzuschirmen, klebt man einen speziellen, mit Leuchtdioden bestückten Chip auf’s Handy. Das hilft.

Ein Wollwaschmittel; biologisch abbaubar. Für 13 Euro. Und wieder geht er runter mit dem Preis. Schließlich: Nicht ein Euro. Wer will, wer will – wer hat noch nicht? Einige heben halbentschlossen ihre Hand. Eine zweite Flasche gibt es dazu. Gratis. Zu bezahlen ist nur die erste. 13 Euro. Da stimmt doch etwas nicht – sollten wir das missverstanden haben?!? Nö, das ist uns zu teuer. Die Flaschen gehen zurück in den Nebenraum.

Was ist denn nun mit dem versprochenen Fahrrad? Dazu solle man die auf dem Tisch liegende Empfangsquittung vorlegen und dann bekäme man es zugeschickt. Allerdings gegen einen Eigenbetrag von 199 Euro. Auf die Empfangsquittung würden jedoch 100 Euro gutgeschrieben.

Die restlichen Mittagessen werden bezahlt. Jeder bekomme noch ein Dankeschön-Paket. Das werde aber erst beim Aussteigen vom Busfahrer ausgehändigt. Sonst liege die ganze Verpackung im Bus herum.

Man verabschiedet sich mit gemischten Gefühlen von dieser Stätte. Immerhin war’s nicht gar so teuer. Man hat schon einiges mitgemacht. Aber das war doch der Gipfel der Dreistigkeit. Der Rückweg verläuft zunächst reibungslos; so wie die Hinfahrt. Und in umgekehrter Folge nimmt die Dämmerung zu, nachdem die ersten in Borkwalde ausgestiegen sind. In Rehbrücke kommt der Bus allerdings neben dem Opel-Autohaus zum Stillstand. Nichts geht mehr. Ein Kanister vom Autohändler überbrückt das kurze Stück bis zur nächsten Tankstelle. Nach elf Stunden wieder in Stahnsdorf. Es sind so dunkel wie zur Abfahrtszeit.

Zu Hause wird die Tüte ausgepackt. Eine halboffene Weihnachtskugel, die man mit einem Teelicht an den Baum hängen kann, eine kleine Taschenlampe, drei Kugelschreiber, die erst nach mehrmaligem guten Zureden schreiben, ein kleines Notizheftchen für Adressen und Telefonnummern und ein Holzschildchen mit der Aufschrift “Please don’t pick the flowers!”. Nur dumm, wenn die Nachbarn kein Englisch können und die Blumen trotzdem abpflücken.

Elektromobilität – eine Chance, aber keine Patentlösung

Ein Motorengeräusch. Kommt jetzt die Post oder sind es die Hausmeister? Ein Blick aus dem Fenster und man weiß Bescheid. Im September vorigen Jahres kündigte sich jedoch das gelbe Auto oft mit einem leisen Brummen an. Ein VW Caddy-blue-e-motion. Zehn Testfahrzeuge waren für die Deutsche Post DHL auf Achse. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). Für den Kurzstreckenbetrieb – von einem Halt bis zum nächsten sind es in der Regel nur einige Dutzend Meter – ist der Elektroantrieb optimal. Zudem geräuscharm und abgasfrei.

Wird man also künftig wieder genauer hinsehen müssen, weil auch die Hausmeister, weitere Dienstleister oder Privatleute auf Elektromobilität setzen? Es würde nicht nur die Umweltqualität vor Ort verbessern, sondern wäre auch eine Möglichkeit, die weltweite CO2-Belastung unserer Atmosphäre zu bremsen. Ein weiteres Problem ist der weltweite Durst nach Öl. Der wachsenden Nachfrage steht ein zunächst noch stagnierendes Angebot gegenüber. Denn Peak Oil, der Gipfelpunkt der globalen Erdölförderung, ist offenbar erreicht. In den kommenden Jahrzehnten geht dieser kostbare Rohstoff allmählich zur Neige. Die Mobilität von Menschen und Frachtgütern wird sich unweigerlich verteuern. Das Abheben mit dem Flieger wird für viele zum unbezahlbaren Luxus. Zwar lassen sich Benzin und Diesel durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen. Jedoch geht die Produktion von Äthanol, Rapsdiesel, Biogas und Palmöl oft zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion, trägt zur Vernichtung von Naturwäldern bei oder belastet die Umwelt in anderer Weise.

Aber auch mit dem Elektroantrieb lässt sich der automobile Straßenverkehr kaum im gewohnten Umfang aufrecht erhalten. Der dafür notwendige Strom hat seinen Preis. Die für leistungsfähige Speicher benötigten Rohstoffe sind begrenzt. Wir sind offenbar an den vom Club of Rome vorhergesagten Grenzen des Wachstums angelangt. Doch es ist wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Alle sehen, dass der Monarch nackt ist und fast keiner traut sich, es zu sagen. Dieser Mut ist jedoch nötiger als jemals zuvor.

Sollten nicht die knappen Ressourcen besser in Strukturen der kurzen Wege investiert werden, anstatt neue Straßen zu bauen? So ließe sich bereits ein großer Teil des Verkehrsaufkommens zu Fuß und mit dem Fahrrad bewältigen. Für die verbleibenden größeren Entfernungen bedarf es des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel, insbesondere der Bahn. Ob man sich in unserer Region zunächst für die Wiederherstellung der Friedhofsbahn, die Verlängerung von Teltow aus, den kompletten Ringschluss, die Stammbahn oder die Regiotram entscheidet, bedarf sorgfältiger Abwägung. Ratsam wäre es jedoch, nicht zu lange abzuwarten und sich nicht die jeweils anderen Optionen zu verbauen.

(Veröffentlicht im Gütergotzer Landboten 2012/März)